Wenn der Ellenbogen Probleme macht – wie die Physiotherapie helfen kann
Der Ellenbogen ist ein hochkomplexes Gelenk, das täglich enormen Belastungen standhält – und das meist unbemerkt. Erst wenn Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen auftreten, wird vielen bewusst, wie zentral dieses Gelenk für einfache Tätigkeiten wie Greifen, Heben oder Abstützen ist. Die Ursachen für Beschwerden am Ellenbogen sind vielfältig: Überlastung, Fehlbelastung, degenerative Prozesse, Sportverletzungen oder operative Eingriffe können die Funktion des Gelenks erheblich beeinträchtigen. Besonders bekannt – und weit verbreitet – ist der sogenannte Tennisarm, medizinisch als Epicondylitis lateralis bezeichnet.
In solchen Fällen kann eine gezielte Physiotherapie am Ellenbogen dabei helfen, Schmerzen zu lindern, die Beweglichkeit wiederherzustellen und langfristig eine gesunde Belastung zu ermöglichen. Ob es um den Tennisellenbogen, die Rehabilitation nach einer Ellenbogenfraktur oder funktionelle Einschränkungen nach einer Operation geht – die Physiotherapie verfolgt immer ein ganzheitliches Ziel: die Wiederherstellung der natürlichen Bewegungsfunktion durch aktive und passive Maßnahmen.
Der Tennisarm: Mehr als nur ein Problem bei Sportlern
Trotz seines Namens tritt der sogenannte Tennisarm nicht nur bei Tennisspielerinnen und -spielern auf. Viel häufiger sind Menschen betroffen, die beruflich oder privat häufig wiederholte Bewegungen mit dem Unterarm ausführen – etwa beim Tippen auf der Tastatur, Schrauben mit dem Handgelenk oder Tragen schwerer Einkaufstaschen. Auch Musiker, Friseurinnen oder Handwerkerinnen klagen häufig über die typischen Symptome: stechende oder ziehende Schmerzen an der Außenseite des Ellenbogens, die bis in den Unterarm oder die Hand ausstrahlen können.
Die medizinische Bezeichnung lautet Epicondylitis humeri radialis, was auf eine Reizung oder Entzündung der Sehnenansätze der Hand- und Fingerstrecker am äußeren Knochenvorsprung des Oberarms hinweist. Es handelt sich nicht um eine klassische Entzündung, sondern eher um eine degenerative Veränderung, die durch Mikrotraumata im Gewebe entsteht. Genau hier setzt die Physiotherapie bei Tennisarm an – mit dem Ziel, die Reizursache zu beseitigen, das Gewebe zu entlasten und wieder in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen.
Physiotherapie bei Tennisarm: Mehr als nur Behandlung – ein individuelles Konzept
Eine erfolgreiche Therapie beginnt mit einer gründlichen Befunderhebung. Die Physiotherapeutin oder der Therapeut untersucht dabei nicht nur den schmerzhaften Bereich, sondern auch umliegende Gelenke, die Muskulatur und das Bewegungsmuster. Häufig zeigt sich, dass eine eingeschränkte Schulterbeweglichkeit oder eine instabile Handgelenksmuskulatur zur Überlastung des Ellenbogens beiträgt. Die Physiotherapie bei Epicondylitis lateralis muss also ganzheitlich denken.
Die Behandlung gliedert sich in mehrere Phasen. In der akuten Phase stehen schmerzlindernde und entzündungshemmende Maßnahmen im Vordergrund. Dazu gehören Kälteanwendungen, manuelle Techniken zur Muskelentspannung sowie Querfriktionen an den betroffenen Sehnenansätzen. Diese Technik besteht aus kurzen, wiederholten Druckbewegungen quer zur Faser, die die lokale Durchblutung anregen und Verklebungen lösen können.
Im Anschluss folgt die aktive Phase. Hier geht es darum, die Belastbarkeit der betroffenen Strukturen wieder aufzubauen. Besonders effektiv sind exzentrische Kräftigungsübungen, bei denen der Muskel unter Dehnung arbeitet – etwa beim langsamen Absenken einer Wasserflasche mit dem Handgelenk. Studien zeigen, dass diese Trainingsform die Sehnenregeneration fördert und die Schmerzintensität nachhaltig reduzieren kann. Wichtig ist die richtige Dosierung: Übungen sollten regelmäßig, aber nicht schmerzhaft ausgeführt werden.
Auch isometrische Übungen kommen zum Einsatz. Dabei wird die Muskulatur ohne Bewegung aktiviert – zum Beispiel, indem Du die Faust gegen Widerstand ballst, ohne dass sich das Gelenk bewegt. Solche Übungen sind besonders in der frühen Behandlungsphase hilfreich, da sie die Durchblutung fördern und die Muskulatur auf spätere Belastung vorbereiten.
Ergänzende Maßnahmen in der Therapie
Neben den aktiven und manuellen Therapieformen können Hilfsmittel wie Tapes, Bandagen oder Epicondylitisspangen eingesetzt werden. Diese sollen die Sehnenansätze mechanisch entlasten und dem Muskel Zeit zur Regeneration geben. Ihre Wirksamkeit ist individuell unterschiedlich, sollte jedoch immer im Zusammenhang mit einem aktiven Therapieplan stehen – reine Schonung bringt langfristig keine Besserung.
Ein weiterer, häufig übersehener Aspekt ist die Analyse der Alltagsgewohnheiten. Viele Patient*innen führen bestimmte Bewegungen unbewusst immer wieder falsch aus, was zur Reizung beiträgt. Hier hilft die Physiotherapie, ungünstige Bewegungsmuster zu erkennen und durch ergonomisch sinnvolle Alternativen zu ersetzen. Dazu zählen auch Empfehlungen zur Arbeitsplatzgestaltung oder zur sportlichen Belastung.
Wenn es mehr ist als ein Tennisarm: Verletzungen und Frakturen
Nicht alle Beschwerden am Ellenbogen gehen auf Überlastung zurück. Verletzungen, etwa durch Stürze oder Unfälle, sind ebenfalls häufige Ursachen für Funktionsstörungen. Ein typisches Beispiel ist die Radiusköpfchenfraktur, die besonders beim Sturz auf den ausgestreckten Arm auftritt. Nach der ärztlichen Versorgung – konservativ oder operativ – beginnt die physiotherapeutische Rehabilitation oft bereits in der ersten Woche.
Ziel der frühen Reha ist es, Bewegungseinschränkungen zu vermeiden, die Muskulatur vor Abbau zu schützen und Schmerzen zu kontrollieren. Dabei kommen zunächst passive Mobilisationen durch die Therapeutin zum Einsatz, später folgen aktive Übungen. Schon einfache Bewegungen wie das Schwingen des Arms oder das aktive Beugen und Strecken im schmerzfreien Bereich helfen, die Beweglichkeit zu erhalten. In der späteren Phase werden gezielt Muskeln gekräftigt, die für die Ellenbogenstabilität wichtig sind – insbesondere die Bizeps- und Trizepsmuskulatur sowie die Unterarmmuskeln.
Aktive Übungen für nachhaltigen Erfolg – so unterstützt Du die Therapie
Ein zentraler Baustein der physiotherapeutischen Behandlung ist Deine eigene Mitarbeit. Denn gerade bei Erkrankungen wie dem Tennisellenbogen oder einer Epicondylitis ist der Heilungsverlauf stark davon abhängig, wie konsequent und richtig Du die empfohlenen Übungen umsetzt. Die gute Nachricht: Du brauchst weder aufwendige Geräte noch viel Platz – viele Übungen lassen sich einfach in den Alltag integrieren.
Ein effektives Trainingsprinzip ist die Kombination aus Dehnungs- und Kräftigungsübungen. Eine bewährte Dehnübung für die Unterarmstrecker sieht so aus: Strecke den betroffenen Arm nach vorn, Handfläche zeigt nach unten. Mit der anderen Hand ziehst Du die Fingerspitzen sanft nach unten, bis Du eine Dehnung an der Außenseite des Unterarms spürst. Halte die Position für 30 Sekunden und wiederhole die Übung drei- bis fünfmal täglich. Diese Dehnung hilft, die Spannung aus dem Sehnenansatz zu nehmen und damit den Reizzustand zu beruhigen.
Im Bereich der Kräftigung sind exzentrische Übungen besonders wertvoll. Dabei wird der betroffene Muskel unter Dehnung kontrolliert belastet. Eine einfache Möglichkeit: Halte eine kleine Wasserflasche oder ein Gewicht in der Hand. Der Unterarm liegt auf einer Tischplatte, das Handgelenk ragt frei über den Rand. Nun hebst Du das Handgelenk mit der gesunden Hand an und senkst es langsam aus eigener Kraft wieder ab. Diese Übung kräftigt gezielt die betroffenen Strukturen und fördert die Regeneration. Sie ist ein zentraler Bestandteil der Tennisarm-Physiotherapie.
Auch die angrenzenden Gelenke verdienen Aufmerksamkeit. Eine Instabilität oder Bewegungseinschränkung in Schulter oder Handgelenk kann dazu führen, dass der Ellenbogen überlastet wird. Entsprechend umfasst ein gutes Therapieprogramm auch Übungen zur Mobilisation und Kräftigung dieser Regionen – etwa das Kreisen der Schultern, isometrische Übungen mit einem Gummiband oder das gezielte Bewegen der Finger mit Widerstand.
Physiotherapie nach Ellenbogenverletzungen – strukturiert zur Funktionsrückkehr
Nach operativen Eingriffen oder Brüchen – etwa einer Ellenbogenfraktur, einer Radiusköpfchenverletzung oder einer Ellenbogenluxation – beginnt die physiotherapeutische Begleitung meist frühzeitig. Ziel ist es, die Funktion des Ellenbogengelenks wiederherzustellen, Narbengewebe beweglich zu halten und den natürlichen Bewegungsumfang zurückzugewinnen.
In der Anfangsphase steht dabei vor allem die passive Mobilisation im Fokus: Die Therapeutin bewegt den Arm vorsichtig durch seine Bewegungsbahnen, ohne dass Du aktiv mitarbeitest. Diese Maßnahme hilft, Verklebungen in der Gelenkkapsel zu vermeiden und Schmerzen zu lindern. Je nach Heilungsverlauf werden die Übungen dann zunehmend aktiver gestaltet.
Ein typisches Beispiel für eine Übung in der Übergangsphase ist das Pendeln des Arms: Du beugst den Oberkörper leicht nach vorn, lässt den Arm locker nach unten hängen und bewegst ihn sanft vor und zurück oder im Kreis. Diese einfache Technik fördert die Gelenkbeweglichkeit und die Durchblutung – ideal für den Einstieg in die aktive Bewegung.
Später folgen kräftigende Übungen, die gezielt die Muskulatur rund um den Ellenbogen stärken. Der Wandstütz ist hier ein Klassiker: Du stellst Dich frontal zur Wand, stützt die Hände schulterbreit auf und führst langsame Beuge- und Streckbewegungen aus. Diese Übung kräftigt neben dem Ellenbogen auch Schulter und Rumpf und unterstützt die ganzheitliche Stabilität.
Chronische Beschwerden? So beugt man langfristig vor
Gerade wenn Beschwerden über Wochen oder Monate bestehen, spricht man von einem chronischen Tennisarm oder einer chronischen Epicondylitis. In diesen Fällen reicht reine Schmerztherapie oft nicht mehr aus. Entscheidend ist jetzt ein systematischer Aufbau der Belastbarkeit – mit Fokus auf funktionelle Bewegung, Alltagstransfer und Belastungskontrolle.
Ein häufiger Fehler: Betroffene schonen den Arm zu lange, was zu Muskelabbau, Bewegungsverlust und erhöhter Empfindlichkeit führt. Die moderne Physiotherapie verfolgt deshalb einen aktiven Ansatz: Schmerzfreie Bewegung wird gefördert, funktionelle Übungen – wie das Heben, Tragen oder Drücken – werden langsam gesteigert. Ergänzend kommen neuromuskuläre Trainingsreize zum Einsatz, etwa durch Koordinationsübungen oder instabile Unterlagen, um die Ansteuerung der Muskulatur zu verbessern.
Auch das Thema Ergonomie spielt bei chronischen Beschwerden eine wichtige Rolle. Häufige Ursachen sind Fehlhaltungen oder repetitive Belastungen am Arbeitsplatz. Eine ergonomische Anpassung – z. B. eine veränderte Mausführung, optimierte Sitzhaltung oder gezielte Arbeitspausen – kann entscheidend zur Entlastung beitragen. Physiotherapeut*innen geben hier wertvolle Tipps und helfen, unbewusste Fehlbelastungen zu erkennen und zu korrigieren.
Fazit: Mit gezielter Bewegung zurück zur Beschwerdefreiheit
Die Physiotherapie am Ellenbogen ist ein wirkungsvolles Mittel, um Schmerzen zu lindern, die Beweglichkeit wiederherzustellen und die Belastbarkeit langfristig zu verbessern – egal ob bei einem Tennisarm, einer Epicondylitis humeri ulnaris oder nach einer Ellenbogenfraktur. Entscheidend für den Behandlungserfolg ist ein ganzheitlicher Ansatz, der nicht nur das Symptom behandelt, sondern die Ursachen analysiert und den Körper als Einheit betrachtet.
Ein strukturierter Therapieplan, abgestimmt auf den individuellen Befund, ist dabei der Schlüssel. Passive Techniken zur Schmerzlinderung, aktive Übungen zur Kräftigung und funktionelle Trainingsreize greifen dabei sinnvoll ineinander. Besonders wichtig: Du als Patient*in spielst eine zentrale Rolle. Mit gezieltem Eigentraining, konsequenter Umsetzung und gegebenenfalls einer Umstellung der Alltagsgewohnheiten kannst Du die Therapie entscheidend unterstützen.
Physiotherapie ist kein passives Abwarten – sie ist aktive Gesundheitsförderung. Sie bietet Dir die Möglichkeit, Beschwerden nicht nur zu behandeln, sondern ihnen auch vorzubeugen. Und gerade bei einem sensiblen Gelenk wie dem Ellenbogen zahlt sich eine frühzeitige und fundierte Herangehensweise doppelt aus.