Physiotherapie im öffentlichen Dienst: Chancen, Herausforderungen und Perspektiven
Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten leisten einen zentralen Beitrag zur Gesundheitsversorgung – sei es in Rehakliniken, Krankenhäusern oder ambulanten Einrichtungen. Doch während viele in privaten Praxen tätig sind, entscheiden sich andere bewusst für den Weg in den öffentlichen Dienst. Was bedeutet es eigentlich, als Physiotherapeut*in im öffentlichen Dienst zu arbeiten? Welche Vorteile und Einschränkungen sind damit verbunden? Und wie steht es um die Eingruppierung im TVöD, das Gehalt sowie mögliche Entwicklungsperspektiven?
Dieser Artikel gibt Dir einen fundierten Überblick über die Arbeitsbedingungen und beruflichen Perspektiven von Physiotherapeut*innen im öffentlichen Dienst – mit Blick auf Eingruppierung, Vergütung, Arbeitszeitregelungen und den Vergleich zur Selbstständigkeit. Dabei wollen wir Klarheit schaffen, ohne leere Versprechen zu machen. Denn so vielseitig das Berufsfeld der Physiotherapie ist, so individuell sind auch die Wege, die Du als Fachkraft gehen kannst.
Arbeitsplatz öffentlicher Dienst: Was erwartet Dich als Physiotherapeut*in?
Wenn Du im öffentlichen Dienst arbeitest, ist Dein Arbeitgeber in der Regel eine staatliche, kommunale oder kirchliche Einrichtung. Dazu gehören beispielsweise kommunale Krankenhäuser, Rehabilitationszentren, Versorgungsämter oder Einrichtungen der Bundeswehr. Auch Pflegeeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft (z. B. nach AVR) zählen zum Bereich des öffentlichen oder kirchennahen Dienstes.
Ein zentrales Merkmal dieser Arbeitsverhältnisse ist die Tarifbindung: Die meisten Einrichtungen richten sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder vergleichbaren Regelwerken wie dem AVR (Arbeitsvertragsrichtlinien). Für Dich bedeutet das: Arbeitszeiten, Gehalt, Urlaubsansprüche und andere Rahmenbedingungen sind klar geregelt – Transparenz und Planbarkeit stehen im Vordergrund.
Doch was genau heißt das im Alltag?
Geregelte Arbeitszeiten – aber keine Therapie in der Freizeit
Ein Vorteil, den viele Physiotherapeut*innen im öffentlichen Dienst schätzen, ist die geregelte Arbeitszeit. Während in privaten Praxen häufig auch nach Feierabend noch Dokumentation oder Terminplanung ansteht, ist im öffentlichen Dienst klar definiert, wann die Arbeit beginnt und endet. Außerdem gilt: Behandlungen während der regulären Arbeitszeit sind Standard – das heißt, Du musst keine Patienten in den Abendstunden oder am Wochenende therapieren, sofern keine Notdienste vorgesehen sind.
Je nach Einrichtung liegt die tariflich geregelte Wochenarbeitszeit zwischen 38,5 und 39 Stunden. Gleitzeitmodelle sind nicht unüblich, und Überstunden werden in der Regel entweder durch Freizeitausgleich oder Bezahlung ausgeglichen. Besonders attraktiv ist diese Struktur für Therapeut*innen mit familiären Verpflichtungen oder dem Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance.
Eingruppierung nach TVöD: Welche Entgeltgruppe ist realistisch?
Ein zentrales Thema ist die Eingruppierung – denn sie bestimmt, wie viel Du am Monatsende verdienst. Für Physiotherapeut*innen im öffentlichen Dienst erfolgt die Eingruppierung meist nach dem TVöD-Bund oder TVöD-VKA (für Kommunen). Die Zuordnung richtet sich nach der Entgeltordnung (EGO), die den Gesundheitsberufen eine bestimmte Entgeltgruppe zuweist.
Die häufigste Eingruppierung für examinierte Physiotherapeutinnen liegt in der Entgeltgruppe 9a. Diese Gruppe setzt eine abgeschlossene dreijährige Ausbildung voraus, was auf die meisten Physiotherapeutinnen zutrifft. Das Einstiegsgehalt in dieser Gruppe liegt – je nach Erfahrungsstufe – zwischen rund 3.200 € und 3.600 € brutto monatlich (Stand 2024). Mit zunehmender Berufserfahrung kannst Du innerhalb der Gruppe bis zu über 4.200 € brutto erreichen.
Ein Aufstieg in höhere Gruppen wie 9b oder 10 ist prinzipiell möglich, etwa bei Übernahme von besonderen Fachaufgaben, Leitungstätigkeiten oder Zusatzqualifikationen. Wichtig zu wissen: Die Eingruppierung ist nicht verhandelbar, sondern richtet sich nach objektiven Kriterien wie Qualifikation und Tätigkeitsprofil.
Gehalt im TVöD vs. eigene Praxis: Was bleibt am Ende?
Vielleicht fragst Du Dich, ob sich die Arbeit im öffentlichen Dienst überhaupt „lohnt“ – insbesondere im Vergleich zur Selbstständigkeit. Das Gehalt im TVöD ist solide, aber nicht spektakulär. Dafür bietet es Sicherheit: Ein regelmäßiges Einkommen, feste Lohnsteigerungen durch Erfahrungsstufen und eine transparente Entgeltstruktur.
Im Vergleich dazu klingt das Gehalt eines selbstständigen Physiotherapeuten oft verlockend. Doch hier lohnt ein genauerer Blick: Zwar kannst Du theoretisch höhere Einnahmen erzielen – z. B. durch eigene Preisgestaltung oder Zusatzleistungen –, doch diesen stehen auch hohe Betriebskosten gegenüber. Miete, Geräte, Versicherungen, Fortbildungen, Abgaben und nicht zuletzt das unternehmerische Risiko drücken den tatsächlichen Verdienst.
Studien und Erfahrungsberichte zeigen, dass viele selbstständige Therapeut*innen nach Abzug aller Kosten zwischen 2.000 € und 3.500 € netto verdienen – bei deutlich höherem Aufwand und persönlicher Verantwortung. Wer als Selbstständiger erfolgreich sein will, braucht neben fachlichem Können auch betriebswirtschaftliches Know-how und unternehmerisches Geschick.
Was bringt Dir eine fachliche Leitungsfunktion?
Wenn Du über Erfahrung verfügst und gerne Verantwortung übernimmst, kannst Du im öffentlichen Dienst auch eine leitende Position anstreben – etwa als fachliche Leitung eines Therapieteams. In diesem Fall ist eine Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe möglich, etwa 9b oder 10, teilweise sogar darüber hinaus.
Hier steigen nicht nur die Anforderungen, sondern auch das Gehalt. Zusätzlich kannst Du Zulagen erhalten, etwa für besondere Aufgaben oder Leitungskompetenzen. Das bringt nicht nur mehr Verdienst, sondern auch neue Gestaltungsspielräume im Berufsalltag.
Entwicklungsmöglichkeiten, Alternativen und langfristige Perspektiven
Neben der Eingruppierung und dem Gehalt interessieren sich viele Physiotherapeut*innen im öffentlichen Dienst auch für ihre Entwicklungsmöglichkeiten – sowohl inhaltlich als auch karrierebezogen. Schließlich möchtest Du nicht nur heute gut dastehen, sondern auch langfristig Perspektiven haben. Welche Optionen bietet der öffentliche Dienst hier? Und wie schneiden sie im Vergleich zu anderen Berufsfeldern und Tätigkeitsformen ab?
Karriere im öffentlichen Dienst: Fachliche und organisatorische Entwicklung
Der öffentliche Dienst ist klar strukturiert – das gilt nicht nur für das Gehalt, sondern auch für Deine Entwicklungsmöglichkeiten. Diese orientieren sich vor allem an zwei Faktoren: Deiner Berufserfahrung und den Zusatzqualifikationen, die Du im Laufe der Zeit erwirbst. So kannst Du Dich fachlich spezialisieren, etwa im Bereich neurologische Rehabilitation, manuelle Therapie oder Schmerztherapie, und dadurch komplexere Tätigkeiten übernehmen.
Ab einem bestimmten Erfahrungsniveau kann zudem eine Position als fachliche Leitung in Betracht kommen – entweder für ein ganzes Team oder einen bestimmten Fachbereich. Das bringt nicht nur mehr Verantwortung mit sich, sondern häufig auch einen Sprung in eine höhere Entgeltgruppe, etwa E9b oder E10. Diese Aufstiege sind tariflich geregelt, müssen aber auch von der Einrichtung aktiv unterstützt und beantragt werden.
Daneben existieren in größeren Häusern oft noch Positionen im Bereich der Organisation oder Qualitätssicherung. Hier kannst Du zum Beispiel an der Entwicklung interner Standards mitwirken, Fortbildungen organisieren oder Schnittstellen mit anderen Berufsgruppen gestalten. Auch hier winken höhere Gehälter – und ein interessanter Rollenwechsel vom rein therapeutischen zum koordinierenden Arbeiten.
Physiotherapie während der Arbeitszeit: Vorteile im öffentlichen Sektor
Ein Vorteil, der häufig unterschätzt wird, ist die Einbindung der Therapie in den strukturierten Klinik- oder Praxisalltag öffentlicher Einrichtungen. Du behandelst Deine Patient*innen in einem klaren zeitlichen Rahmen und musst außerhalb Deiner Schichten keine zusätzlichen Leistungen erbringen – etwa Hausbesuche in der Freizeit oder Dokumentationen am Wochenende.
Das bringt nicht nur planbare Arbeitszeiten, sondern auch eine klare Trennung von Berufs- und Privatleben. Im Gegensatz zur Arbeit in freien Praxen, wo häufig auch in den Abendstunden gearbeitet wird oder Patienten kurzfristig umdisponiert werden, bist Du im öffentlichen Dienst zeitlich besser abgesichert. Das ist besonders wertvoll, wenn Dir eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtig ist – oder Du familiäre Verpflichtungen hast.
AVR und andere Tarifverträge: Was gilt bei kirchlichen Trägern?
Nicht jeder Physiotherapeut im öffentlichen Dienst arbeitet nach dem TVöD. Viele Einrichtungen – insbesondere in kirchlicher Trägerschaft – orientieren sich an anderen Tarifwerken, wie etwa den AVR (Arbeitsvertragsrichtlinien). Auch hier sind Gehalt, Arbeitszeit und Urlaub fest geregelt, allerdings können die Details je nach Träger und Region variieren.
In der Regel liegen die Gehälter vergleichbar mit dem TVöD, manchmal sogar leicht darüber. Dafür sind die Wege zur Höhergruppierung oder Zulagen teils strenger geregelt. Wichtig ist: Egal ob TVöD oder AVR – Du genießt als Beschäftigte*r tariflicher Einrichtungen hohe rechtliche Sicherheit und verlässliche Arbeitsbedingungen.
Bundeswehr, Reha-Zentren, Universitätskliniken: Vielfältige Einsatzbereiche
Wenn Du an den öffentlichen Dienst denkst, hast Du vielleicht zuerst kommunale Krankenhäuser im Kopf. Doch tatsächlich ist das Spektrum deutlich breiter. Auch bei der Bundeswehr, in universitären Einrichtungen oder spezialisierten Rehabilitationszentren werden Physiotherapeut*innen nach Tarif bezahlt.
Die Tätigkeit in solchen Einrichtungen bringt je nach Umfeld besondere Anforderungen mit sich – aber auch spannende Möglichkeiten. So arbeitest Du bei der Bundeswehr beispielsweise auch mit jungen, sportlich aktiven Menschen und kannst in Bereichen wie Einsatznachsorge oder Sportphysiotherapie tätig sein. Auch Auslandseinsätze sind möglich – verbunden mit Zulagen und Sonderregelungen.
In Rehakliniken wiederum steht die längerfristige Betreuung im Vordergrund. Du kannst gezielt an funktionellen Fortschritten arbeiten, was im hektischen Klinikalltag oft zu kurz kommt. Gerade hier ist eine Spezialisierung sinnvoll, um Dich langfristig zu positionieren.
Selbstständig oder angestellt? Der Vergleich im Überblick
Viele Physiotherapeut*innen stehen früher oder später vor der Frage: Will ich mich selbstständig machen oder im Angestelltenverhältnis bleiben? Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile. Während die Selbstständigkeit Dir unternehmerische Freiheit und potenziell höhere Einnahmen bietet, steht dem ein höheres Risiko und ein beträchtlicher organisatorischer Aufwand gegenüber.
Im öffentlichen Dienst erhältst Du hingegen ein festes Gehalt, soziale Absicherung, geregelte Arbeitszeiten und häufig bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gerade für Einsteigerinnen oder Therapeutinnen, die nicht ausschließlich wirtschaftlich denken, ist das eine attraktive Option.
Eine Praxis zu gründen bedeutet nicht nur Investitionen, sondern auch betriebswirtschaftliches Wissen, rechtliche Kenntnisse und viel Verantwortung. Und: Du bist nicht automatisch besser gestellt – denn viele selbstständige Physiotherapeut*innen verdienen laut Branchenberichten netto in einem ähnlichen Bereich wie Angestellte im TVöD. Der große Unterschied liegt im persönlichen Arbeitsaufwand und der Flexibilität.
Fazit: Physiotherapie im öffentlichen Dienst – ein stabiler Karriereweg mit Entwicklungspotenzial
Wenn Du als Physiotherapeut*in im öffentlichen Dienst arbeitest, entscheidest Du Dich für ein Berufsleben mit klaren Strukturen, tariflicher Absicherung und realistischen Entwicklungsperspektiven. Die Eingruppierung nach TVöD – meist in Entgeltgruppe 9a – bietet ein solides Einkommen, das mit zunehmender Erfahrung steigt. Hinzu kommen geregelte Arbeitszeiten, gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und langfristige Sicherheit.
Natürlich ist der Weg in die Selbstständigkeit eine Alternative – aber eben nicht für jede*n. Der öffentliche Dienst punktet vor allem dort, wo Sicherheit, Planbarkeit und faire Arbeitsbedingungen im Vordergrund stehen. Besonders in Zeiten wachsender Belastungen im Gesundheitswesen kann ein solcher Rahmen ein echtes Plus sein.
Ob als Berufsanfänger*in, erfahrene Fachkraft oder potenzielle Leitungsperson: Der öffentliche Dienst bietet Dir viele Möglichkeiten, Dich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln – ohne dabei Deine Lebensqualität zu vernachlässigen. Wenn Du Wert auf Stabilität legst, klare Strukturen schätzt und gerne im Team arbeitest, ist dieser Weg vielleicht genau der richtige für Dich.